1) Die Religion ist ein göttliches Licht für unsern Verstand.
Die Wahrheit gleicht dem Licht, die Unwissenheit und der Irrtum der Finsternis. Warum? Die Wahrheit zeigt nämlich sowie das Licht das, was wirklich da ist; in der Nacht dagegen sieht man nichts. Auch der Unwissende oder Irrende weiß nichts. Da nun die Religion die Wahrheit über Gott mitteilt, so ist sie ein göttliches Licht. Die Kenntnisse, die sie uns vermittelt, sind auch vom Himmel, d.h. Gott selbst hat sie uns mitgeteilt. Weil man durch die Religion das Ziel des Lebens und den Weg zu diesem Ziele erfährt und erkennt, so gleicht, wer Religion hat, einem Wanderer, der im Dunkeln ein Licht hat. Wer ohne Religion ist, tappt im Dunkeln. Die Hl. Schrift sagt: »Er sitzt im Finstern und im Todesschatten« (Is. 9, 2; Luk. 1, 79). Ein solcher hat Augen und sieht nicht. Er ist wie ein Blinder. Daher nennt sich der Heiland, der uns die wahre Religion gebracht hat, das »Licht der Welt«; er sagt: »Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolget, der wandelt nicht in der Finsternis« (Joh. 8, 12). Wer Religion hat, ist wahrhaft aufgeklärt, wer keine hat, ist unerfahren, mag er sich auch noch soviel einbilden.
2) Die Religion gibt unserem Willen übermenschliche Kraft zur Ausführung edler Handlungen und zur Unterdrückung schlechter Begierden.
Die Religion ist wie ein Hebel. Mit diesem kann selbst ein Kind die schwerste Last heben. Ebenso gibt die Religion einem schwachen Menschen Kraft zu übermenschlichen (heroischen) Leistungen. Was gab den hl. Märtyrern die Kraft, eher Gut und Leben hinzugeben, als etwas Schlechtes zu tun? Nur die Religion, die sagt: Nach dem Tode folgt das Gericht und die gerechte Vergeltung und dereinst die Auferstehung von den Toten. Ferner beachte man das Wirken eines katholischen Missionars, der in den Heidenländern unter steten Verfolgungen und Lebensgefahren ohne Aussicht auf irdischen Lohn am Heile seiner Mitmenschen arbeitet. Man beachte, wie in den Zeiten ansteckender Krankheiten die Kranken oft von ihren eigenen Blutsverwandten im Stich gelassen, durch katholische Priester und fromme Ordensleute besucht und liebevoll gepflegt werden. Wer gibt diesen Leuten solchen Mut? Die Religion ist es, die sagt: Was ihr den Mitmenschen tut, das tut ihr Gott selbst. Ihr bekommt einst ewigen Lohn im Himmel u.s.w. Livingston fragt: »Wie kommt es, daß man in solchen schwersten und entsagungsvollsten Opferleben niemals Freidenker (= religionslose Leute) findet?«.
3) Die Religion macht den Menschen gewissenhaft.
Die Religion treibt den Menschen an, auch dort die Gebote Gottes zu beobachten, wo kein menschliches Auge hinschaut; denn sie lehrt, daß Gott allwissend ist und uns dereinst wegen aller unserer Worte und Handlungen und sogar wegen unserer Gedanken und Begierden zur Rechenschaft ziehen wird. Deshalb trägt die Religion noch mehr dazu bei, Ordnung im Staat aufrechtzuerhalten als die Polizei. Diese vermag nur da einzugreifen, wo Verbrechen wahrgenommen werden, aber das Gewissen des Menschen kann sie nicht beeinflussen.
4) Die Religion tröstet im Unglück und hält von Verzweiflungen zurück.
Die Religion wirkt wie das Öl. Dieses lindert den Schmerz und heilt die Wunden. Warum waren Job, Tobias u.a. so geduldig bei so schweren Leiden? Weil ihnen die Religion sagte: »Gott ist unser Vater; er legt uns nicht mehr auf, als wir tragen können. Wenn daher die Not am größten, ist Gottes Hilfe am nächsten. Und Gott wendet alles zum Besten«. Und woher wieder andererseits die vielen Selbstmorde, noch dazu oft bei ganz geringen Widerwärtigkeiten? Weil die Religion und daher der Trost fehlt. Ein Mensch mit Religion gleicht einer festgewurzelten Eiche, die den Stürmen trotzt: ein Mensch ohne Religion aber einem schwankenden Rohre. Die Religion ist wie ein Anker, der zur Zeit des Sturmes das Schiff vom Untergange rettet. Ohne Religion gleicht der Mensch einem Schiffbrüchigen. Er ist wie ein Steuermann ohne Kompaß. Mit Recht sagt General Laudon: »Leute ohne Religion sind in Krankheit und Gefahr die feigsten Memmen, ohne Mut und Kraft.«
5) Die Religion verschafft dem Menschen die wahre Zufriedenheit.
Was die Speise für den Leib, das ist die Religion für die Seele. Nur der Unterschied ist, daß die körperliche Speise den Leib nur auf kurze Zeit sättigt, während die Religion die Seele auf immer befriedigt. Wer keine Religion hat, gleicht einem Hungrigen. An ihm werden wahr die Worte des hl. Augustinus: »Unruhig ist unser Herz, so lange es nicht in dir ruhet, o Gott!«. Ein religionsloser Mensch gleicht dem Fisch, der aus dem Wasser herausgenommen wurde. Dieser zappelt, windet und krümmt sich, mag man ihm noch soviel Speisen vorlegen. Er will ins Wasser, in sein Element, zurück; nur dort ist er lebensfroh. Geradeso verhält es sich mit dem Menschen, der sich von Gott entfernt. Daher kommt es, daß sich viele Leute, die Gott mit irdischen Gütern reichlich gesegnet hat, ja selbst gelehrte Männer oft unglücklich fühlen und in ihren Reden und Briefen deutlich ihre Unzufriedenheit und ihren Lebensüerdruß verraten. Selbst der gefeierte Goethe äußerte sich (in seinen Gesprächen mit Eckermann), daß er in seinen 75 Jahren wenig glückliche Tage gehabt habe, und daß ihm das ganze Leben wie das Wälzen eines Steines vorkomme. Der Philosoph Arthur Schopenhauer, der sog. »Weise von Frankfurt« († 1860), klagte oft über die »grenzenlose Öde des Daseins« und behauptete, unser Leben sei nur eine Abwechselung von Schmerz und Langweile. Alexander von Humbold gesteht ein: »Die Wissenschaft allein gibt weder Ruhe noch Zufriedenheit«. Also Vermögen, Ehre, Wissenschaft allein sind nicht imstande, den Menschen zufrieden und glücklich zu machen. Das vermag nur die Religion. Weil uns Christi Lehre den Seelenfrieden bringt, so wurde unser Heiland schon von den Propheten als »Friedensfürst« angekündigt (Is. 9, 6), und bei seiner Geburt von den Engeln den Menschen der Friede verkündet (Luk. 2, 14). Daher pflegte auch Christus die Apostel zu grüßen mit den Worten: »Der Friede sei mit euch!« (Joh. 20, 19). Und seinen Schülern verspricht Christus als Lohn für die Annahme und Befolgung seiner Lehre den Frieden. Er sagt: »Meinen Frieden geb’ ich euch; nicht wie ihn die Welt gibt, geb’ ich ihn euch« (Joh. 14, 27). Ferner: »Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig vom Herzen, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen« (Matth. 11, 29). Unzähligen Menschen ist es schon so ergangen wie dem hl. Philosoph Justinus († 166). Dieser studierte alle philosophischen Systeme seiner Zeit durch, fand aber keine wahre Befriedigung. Erst durch die christliche Religion erlangte er die erwünschte Ruhe seines Herzens (Spirago, Beispiele Nr. 111).
Gewissenlos handelt, wer dem Menschen die Religion raubt. Ein Mensch, der keine Religion hat, wird sich der Genußsucht hingeben und die Seligkeit auf dieser Welt suchen, wo sie nicht zu finden ist. Er wird sich bald getäuscht fühlen und dadurch unzufrieden werden. Die weitere Folge ist der Lebensüberdruß, der zuweilen zum Selbstmorde führt. Mit den Völkern verhält es sich nicht anders. Das sieht man schon an den Völkern des Altertums, wie am griechischen und römischen Kulturvolk. Solange diese den Gottesglauben bewahrten, hatten sie sittliche Kraft, um für die Familie und fürs Vaterland Opfer zu bringen; diese Völker waren unüberwindlich. Sobald aber der Unglaube und damit die Genußsucht einriß, trat der Verfall ein. Es verschwand die geistige Kraft aus dem Volke, damit auch die Hingebung für die Familie und fürs Vaterland. Alles strebte nur nach Geld und Genuß. Auf den Reichtum folgte die Verarmung und allgemeine Not. Bei den christlichen Staaten ist es nicht anders. »Der Abfall vom Christentum bringt nicht nur Sünden, sondern auch Elend, Not und Verzweiflung ins soziale Leben« (Dr. Scheicher). – Wer also seinen Mitmenschen um die Religion bringt, handelt grausam wie ein Mörder, denn er treibt den Mitmenschen der Verzweiflung und dem Selbstmord entgegen; ja er handelt noch grausamer, denn der Mensa ohne Religion verliert noch mehr als das leibliche Leben.