Franz Spirago: Katholischer Volks-Katechismus

1) Wozu sind wir auf Erden?

Jede Sache hat einen bestimmten Zweck, so das Auge, das Ohr, die Hand der Fuß. Und wie jedes Glied des menschlichen Körpers einen bestimmten Zweck hat, so muß auch der ganze Mensch einen Zweck haben. Wie der Schüler oder Student die Schule besucht, um ein gewisses Ziel zu erreichen, nämlich eine sichere Stellung im Leben, so ist auch der Mensch auf Erden, in dieser Schule des Lebens, um ein erhabenes Ziel, nämlich die ewige Seligkeit, zu erreichen. Gleichwie ein Knecht seinem Herrn zu dienen hat und sich durch diesen Dienst sein Brot verdient, so ist auch der Mensch da zum Dienste, zur Verherrlichung Gottes, und durch diesen Dienst, diese Verherrlichung, erwirbt er sich die Seligkeit nach dem Tode. Wir sind wie Arbeiter im Weinberge, die abends den Lohn bekommen (Matth. 20).

Wir sind auf Erden, um Gott zu verherrlichen und uns die ewige Seligkeit zu erwerben.

Die Verherrlichung Gottes ist das Ziel der ganzen Schöpfung. Alle Geschöpfe sind von Gott deswegen erschaffen worden, damit durch sie die göttliche Vollkommenheit oder Herrlichkeit den vernünftigen Geschöpfen, den Engeln und Menschen, offenbar werde, und damit Gott von diesen deshalb gelobt und geehrt werde. »Der Herr hat alles um seinetwillen gemacht« (Spr. 16, 4). Gott sagt durch den Propheten Isaias: »Jeden, der meinen Namen anruft, habe ich zu meiner Ehre erschaffen« (Is. 43,7). Aus diesem Grunde ist auch der Mensch zu dem Zwecke erschaffen, um die Herrlichkeit Gottes offenbar zu machen.

Wir sind also nicht auf Erden, nur um uns irdische Schätze zu sammeln, Ehrenstellen zu erreichen, zu essen und zu trinken, oder irdische Vergnügen zu genießen.

Mit Recht sprach der hl. Stanislaus Kostka: »Zu Höherem bin ich geboren« (»Ad maiora natus sum«). Irdische Güter sind nicht das Ziel unseres Lebens, sondern nur Mittel zum Ziele. Wer sie als Lebensziel betrachtet, handelt ebenso töricht wie ein Knabe, der, vom Vater fortgeschickt, um etwas zu holen, am Wege etwas sieht, stehenbleibt und gänzlich auf den empfangenen Befehl vergessend, das in einemfort betreibt, was er eigentlich hätte unterlassen sollen (ehrw. Ludwig von Granada). Manche gleichen den Gästen des Evangeliums, die des Weibes, des Meierhofes, der Ochsen wegen nicht zum großen Abendmahle kamen (Luk. 14, 16 ff.). Einem Menschen, der nur Geld, Ehren und andere vergängliche Dinge anstrebt, könnte man einst auf das Grab schreiben: »Hier ruht ein törichter Mensch; er wußte nicht, warum er gelebt hat« (Alban Stolz).

Christus erinnert uns an unser letztes Ziel mit den Worten: »Eines nur ist notwendig« (Luk. 10, 42); ferner: »Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zugegeben werden« (Matth. 6, 33).

Auch die Heiligen pflegten die Menschen oft eindringlich an ihr letztes Ziel  zu erinnern. So machte der hl. Philipp Neri einen Studierenden, der sich mit großen Plänen trug, ernst und nachdenklich durch beständiges Fragen: »Was dann?« Am bequemsten macht es sich der Talmud (ein jüdisches religiöses Lehrbuch); er sagt: »Es wäre besser, nicht geboren zu sein, als zu forschen, was oben (im Himmel) sei, was unten (in der Unterwelt) sei, was anfangs war und was zuletzt sein wird.« Er geht also der Frage nach dem Lebensziel einfach aus dem Wege, obgleich der Menschengeist nie zur Zufriedenheit gelangt, bevor er nicht die richtige Antwort auch auf jene Frage gefunden hat.

Weil der Mensch für die Seligkeit nach dem Tode bestimmt ist, so wird der Mensch oft ein Wanderer, das Leben selbst eine Reise, genannt.

Der Mensch ist ein Fremdling auf Erden (Ps. 118, 19) Er gleicht dem, der in der Rennbahn läuft (1 Kor. 9, 24). Das Leben gleicht einer Meer fahrt, weil wir dem Hafen der Seligkeit zusegeln (hl. Gregor der Große). Das Leben ist eine Reise. Wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern suchen die künftige (Heb. 13, 14). Der Himmel ist unser Vaterland, die Erde ist ein Land der Verbannung (Segneri). Weil wir nicht für diese Erde, sondern für die Seligkeit erschaffen sind, hat Gott unseren Leib so gebaut, daß wir einen aufrechten Gang haben und mit unseren Augen zum Himmel emporschauen. Das Tier dagegen schaut auf die Erde. Der Turm auf der Kirche ist gewissermaßen ein Zeigefinger nach oben. Durch die großen, himmelanstrebenden gotischen Domkirchen, in denen sich alles nach oben zuspitzt, gibt uns die Kirche die Lehre: »Mensch, du bist für den Himmel erschaffen!«. Der Apostel ermahnt: »Suchet, was droben ist« (Kol. 3 ,1).

Entmutigend lauten die sich widersprechenden Ansichten religionsloser Philosophen über das Lebensziel.

Manche Philosophen behaupten, der Mensch wisse gar nichts über seine Bestimmung, und das Leben sei ein Rätsel. Einer (Du Bois-Reymond) sagt sogar: »Wir wissen nichts und werden nie etwas wissen« (»Ignoramus et ignorabimus«). Der 84jährige Naturforscher Alexander von Humboldt zu Berlin († 1859) versteigt sich sogar zur Behauptung: »Das ganze menschliche Leben ist ein Unsinn.« Andere halten es mit den heidnischen Epikuräern und sagen: »Genuß ist der Zweck des Lebens.« Nach ihrer Ansicht ist derjenige Mensch der glücklichste, der sehr viel Geld und eine eiserne Gesundheit hat, weil er alles genießen kann, was die Welt bietet (so sagt Arthur Schopenhauer, † 1860). Manche halten es mit den Heiden und zwar mit den Buddhisten, die meinen, daß der Mensch beim Tode in das Nichts zurückkehre. Man sieht, daß Christi Worte wahr sind, Gott habe die Wahrheit den Weisen und Klugen der Welt verborgen, den Kleinen aber geoffenbart (Matth. 11, 25).

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