1) Die Erkenntnis Gottes

Die Erkenntnis Gottes ist die Erkenntnis der Eigenschaften und Vollkommenheit Gottes, der göttlichen Werke, des göttlichen Willens, der von Gott eingesetzten Gnadenmittel u.s.w. »Wachset stets in der Erkenntnis Gottes« (1 Kor. 1, 10). Jetzt erkennen wir Gott nur rätselhaft, wie in einem undeutlichen Spiegel; erst nach dem Tod werden wir Gott deutlich erkennen (1 Kor. 13, 12).

1) Die klarste Gotteserkenntnis ist im Himmel.

Die Erkenntnis Gottes macht im Himmel die Seligkeit der Engel und Heiligen aus. Die Erkenntnis Gottes ist deren Speise. Diese Speise meinte der Erzengel Raphael, als er zu Tobias sagte: »Ich bediene mich einer unsichtbaren Speise und eines Trankes, der von den Menschen nicht gesehen werden kann« (Tob. 12, 19). Daher sagt Christus: »Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich erkennen, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum« (Joh. 17, 3). Die Erkenntnis, welche die Seligen im Himmel haben, ist jedoch verschieden von der, die wir auf Erden haben. Die Seligen haben eine unmittelbare Erkenntnis, die sogenannte Anschauung Gottes; sie sehen Gott »von Angesicht zu Angesicht«. Wir erkennen Gott nur mittelbar aus seinen Werken und aus seinen Offenbarungen. Es verhält sich ähnlich, wie wenn einer die Länder auf der Landkarte betrachtet (ein solcher hat nur eine mittelbare, daher unvollkommene Kenntnis der betreffenden Länder), während ein zweiter die Länder bereist und genau ansieht. (Ein solcher hat eine unmittelbare, daher weit vollkommenere Erkenntnis.) Der Heiland sagt daher von den hl. Engeln: »Die Engel im Himmel schauen immerfort das Angesicht meines Vaters, der im Himmel ist« (Matth. 18, 10). Auch die Heiligen schauen das Angesicht Gottes, weil sie den Engeln gleich sind (Luk. 20, 36).

2) Ohne Erkenntnis Gottes gibt es keine wahre Zufriedenheit und kein rechtschaffenes Leben.

Die Erkenntnis Gottes ist die Speise unserer Seele. Fehlt diese Speise, so wird die Seele von Hunger geplagt, d.h. der Mensch ist unzufrieden. »Wenn der innere Friede fehlt, so können alle Güter dieses Lebens, wie Reichtum, Gesundheit u. dgl., uns nie wahrhaft angenehm sein« (hl. Franz von Assisi). Es ist so wie im Krieg; da hat man wenig von seinen Gütern, weil man sie nicht genießen kann. Der Mensch, der Gott nicht erkennt, gleicht einem Blinden; sowie dieser keinen sicheren Schritt hat, leicht hinfällt, sich anstößt, sich sehr unglücklich fühlt und wenig Lust am Leben hat, so geht es auch jenem; denn er kennt sein Ziel nicht und fällt von einer Sünde in die andere, hat keinen Trost im Unglück und keine Hoffnung im Tod. Man beachte die vielen Selbstmorde, die religionslose Menschen ausführen, weil sie sich in der Not keine Hilfe wissen. Wer keine Gotteserkenntnis besitzt, ist ein Unwissender, wenn er auch der gelehrteste Mann wäre. »Unglücklich der Mensch, der alles kennt, dich aber, o Gott, nicht erkennt« (hl. Augustinus). – Ohne Erkenntnis Gottes gibt es kein rechtschaffenes Leben. Was man nicht kennt, kann man weder begehren noch lieben. (»Ignoti nulla cupido.«) Wie kann jemand, der Gott nicht kennt, ihn lieben und seine Gebote halten? Die Unkenntnis über die Gottheit ist die Ursache der meisten Sünden. Warum schwören die Menschen leichtsinnig oder falsch, warum streben sie leidenschaftlich nach Geld, Ehre und sinnlichen Genüssen und übertreten ungescheut die göttlichen Gebote? Deshalb, weil sie Gott nicht erkennen. Warum wurde Kaiser Josef II. († 1790), der oft verkleidet unter das Volk ging, von manchen Beamten so grob behandelt? Deswegen, weil sie ihn nicht erkannten. Hätten sie ihn wohl auch so behandelt, wenn sie ihn erkannt hätten? Ähnlich verhält es sich mit Gott. Darum ruft der Prophet Oseas aus: »Keine Erkenntnis Gottes ist im Lande; daher hat Fluchen, Lügen, Morden, Stehlen überhand genommen« (Os. 4, 2). Und der hl. Paulus beteuert, daß die Juden Christum, den Herrn der Herrlichkeit, nie würden gekreuzigt haben, wenn sie ihn erkannt hätten (1 Kor. 2, 8). »O Gott, du Wonne meiner Seele, kennten dich die Menschen, so würden sie dich nicht beleidigen!« (hl. Ignatius von Loyola). Es zeigt insbesondere die Erfahrung, daß in den Strafanstalten der größte Teil der Verbrecher Leute sind, die von Gott nichts wissen. Als König Friedrich II. von Preußen erkannte, daß die mangelnde Gotteserkenntnis der Grund der zunehmenden Verbrechen ist, rief er seinem Minister zu: »Schaff er mir Religion ins Land«. Die Weltgeschichte zeigt, daß bei den Völkern die religionslosen Zeiten auch die sittenlosesten waren.

3) Zur Erkenntnis Gottes gelangen wir teilweise durch die erschaffenen Dinge, deutlicher durch den Glauben der uns von Gott geoffenbarten Wahrheiten.

Allerdings gelangt man auch mittels der Vernunft durch Betrachtung der Schöpfung zur Erkenntnis Gottes (Röm. 1, 20). Denn die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes (Ps. 18, 2). Sie zeigen die große Macht, Weisheit, Güte, Schönheit Gottes. Da doch unsere Vernunft schwach ist, kommen wir durch sie allein nie zu richtiger und klarer Gotteserkenntnis. Welch törichte Ansichten über die Gottheit und welch sittenlosen Gottesdienst hatten die Heiden, die nur nach der Vernunft urteilten. Niemand vermag es, was über dem Himmel ist, auszuforschen, wenn ihm Gott nicht Weisheit gibt und seinen Hl. Geist sendet (Weish. 9, 14–16). Diese göttliche Hilfe wird uns mit dem Glauben geschenkt. Durch den Glauben an die von Gott geoffenbarten Wahrheiten gelangt man zur richtigen und klaren Gotteserkenntnis. Daher sagt der hl. Augustinus: »Ich glaube, damit ich verstehe.« Der hl. Anselm: »Je mehr wir uns vom Glauben genährt haben, desto mehr werden wir gesättigt mit Verständnis.« Der Glaube wird oft ein göttliches Licht genannt (1 Pet. 2, 9), das in unserer Seele erstrahlt (2 Kor. 4, 6). Wie nämlich das Licht die Finsternisse durchdringt, so durchdringt der Glaube die christlichen Geheimnisse (hl. Bernard). »Der Glaube ist wie ein Wind, der die Nebel zerstreut und die Sonne auf uns leuchten läßt« (hl. Vianney). Wie die Lampe das Haus, so erleuchtet der Glaube die Seele (hl. Chrysostomus). Der Glaube ist ein heller Stern; er lehrt uns kennen Gott den Herrn. Der Glaube gleicht einem Aussichtsturm; auf diesem sieht man das, was man in der Ebene nicht bemerkt: mittels des Glaubens das, was man durch bloße Betrachtung der Werke Gottes nicht erkennt. Der Glaube gleicht einem Fernrohr; mit diesem sieht man das, was man mit dem bloßen Auge nicht bemerkt: mit dem Glauben das, was man mitdem bloßen Verstande nicht erkennt.

Sie wollen das nächste Kapitel nicht verpassen? Tragen Sie sich jetzt für den Rundbrief ein und bleiben Sie immer auf dem Laufenden!

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Sie können den Newsletter jederzeit über den Link in unserem Newsletter abbestellen.

Wir verwenden den Dienstleister Brevo zum Versand des Rundbriefs. Ausführliche Informationen zur Datenverarbeitung finden Sie bei Brevo und in unserer Datenschutzerklärung.